"Die Welt ist rund. Aus diesem Grund kann nur ein Globus sie in ihren richtigen Proportionen wiedergeben. Auf einer zweidimensionalen Karte muss die Welt verzerrt dargestellt sein. Wer in Zentraleuropa aufwächst, tendiert womöglich dazu, die Welt aus einer eurozentrischen Sicht zu sehen: mit Europa in der Mitte und dem Rest so drumherum verteilt, dass sich damit eine Doppelseite im Atlas füllen lässt. Aus asiatischer Sicht aber ist Europa nur ein „Anhängsel“ links oben. Es ist eine Frage der Perspektive. Es mag gute Gründe geben, Asien auf der Weltkarte den Platz rechts aussen zuzuweisen: kartographische, historische, geopolitische. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass diese Art der Darstellung lediglich unserer Gewohnheit entspringt, alles in eine rechteckige Form zu zwängen." * ….. "Wer hat nicht schon an die Welt als ein Bild gedacht, das auf der rechten Seite endet?" ... "„Geheimnisvoll und unendlich weit“ wussten die Menschen von dem Land zu sagen, das sich hinter dem „steinernen Gürtel“ des Urals verbarg, ehe sie es betreten hatten.“ „Die Karte zeigt, dass im 17. Jahrhundert, während der Mensch längst die Symbole seiner Kultur in die Steppe und Wüsten Südostasiens setzte, der asiatische Norden immer noch grosses Unbehagen weckte. Alles was sich auf der Karte oberhalb der stark stilisierten Chinesischen Mauer befindet, ist ein undurchschaubares Territorium voll mysteriöser Vorkommnisse. Je weiter in den Nordosten, desto märchenhafter die Visionen des Zeichners.“ „Irgendwo am äussersten Rand des Kontinents findet sich die verblüffende Eintragung, dass dort im Jahre 1920 die Christen regierten…..“* "Das vorliegende Buch handelt von den Regionen und Gebieten, die auf der Karte aus dem 17. Jahrhundert schlicht „weggedacht“ wurden und die aus der Sicht der „abendländischen“ Weltmitte oft heute noch gedanklich übersprungen werden. Die nordasiatische Landmasse, die unter der Feder des englischen Kartografen so geschrumpft ist, dass sie fast an die unbeholfene Nachzeichnung eines Kindes erinnert, birgt das heutige Jakutien, die grösste Republik der Russischen Förderation. Vorstellungen, die man landläufig mit Sibirien - der grenzenlose Raum, die Abgeschiedenheit der Taiga, die Reichtümer der Natur, nicht zu sprechen von der sibirischen Kälte - müssen in Bezug auf Jakutien nach oben korrigiert werden." Aus diesem Grund wird Jakutien „Sibirien von Sibirien“ genannt."* "In dem Land mit der Ausdehnung von der Fläche Westeuropas leben nur knapp über 1 Millionen Menschen, zerstreut in Dörfern und Städten, die mehrer Flugstunden voneinander trennen. Die Temperaturunterschiede zwischen Sommerhitze und Winterkälte erreichen sagenhafte 100 Grad Celsius. Versteckt unter dem Panzer des Permafrostbodens, der an manchen Stellen bis 1,5 km in die Tiefe reicht, ruhen in Jakutien alle denkbaren Bodenschätze der Welt, nicht nur das legendäre Gold, sondern auch Diamanten, Erdöl, Erdgas, Kohle, Eisen und viele andere Erze. Sibiriens grösster Fluss, die Lena, der am Baikalsee entspringt und nach 4300 km in das Eismeer mündet, fliesst durch Jakutien. Auf der Karte des Engländers verbindet er sich mit der Kolyma zu einem kleinen Strom, der schlicht „Tartaren Fluss“ heisst."* "Die Ureinwohner von Jakutien nennen sich selbst Sacha, was soviel heisst wie Mensch. Sie wurden einst durch die Kriege Dschingiskhan aus den südlichen Steppen um den Baikalsee vertrieben und sind heute das am weitesten nördlich angesiedelte Turkvolk. In der Jakutischen Republik sind die Jakuten die ethnische Minderheit." "Heute in Zeiten des Abenteuertourismus, während die letzten auch noch so entlegenen Winkel der Erde ihre Geheimnisse nach und nach preisgeben, wird Jakutien, das jenseits der Transibirischen Eisenbahnlinie liegt, vom Ausland kaum wahrgenommen." Vergessen am Rande der Welt darf es für uns noch eine Weile das bleiben, was Sibir in der Sprache der Tataren bedeutet: „schlafendes Land“.
Sacha-Jakutien > Sibirien von Sibirien | Titel > Sibirien von Sibirien